REVIEW  Sonntag, 09. Februar 2025

Silent Hill 2 - The Remake

Hier ist es also.... "The Big One"... fangen wir mal an.

Für den Kontext: Im Jahre 2001 veröffentlichte Konami den zweiten Teil der Horrospielreihe Silent Hill , welcher sofort zum Klassiker des Genres wurde und für lange Jahre definierte, wie ernstzunehmendes Storytelling im Medium "Videospiel" funktionieren kann und sollte.
Man kommt also nicht umhin, Silent Hill 2 als Kunstwerk und Meilenstein der Videospielgeschichte anzuerkennen.

Wenn Bloober Team sich jetzt knapp 23 Jahre später an ein vollständiges Remake wagt, muss es der Anspruch sein, dass dieses Remake das Original derart in den Schatten stellt, dass es künftig als definitiver Weg gilt, Silent Hill 2 zu erleben.

Ist dies geglückt?
Nein, ist es nicht, obwohl das Remake wahnsinnig viel richtig macht und ein tolles Spiel ist.

So, jetzt, wo mein Fazit aus dem Weg ist, lasst mich ein wenig elaborieren:

Zuerst muss ich vorweg nehmen, dass ich prinzipiell sehr kritisch bin, wenn große Klassiker geändert werden. Ich würde weder den Faust noch Pipi Langstrumpf neu schreiben lassen, sehe keinen Grund, Full Metal Jacket neu zu verfilmen und bin daher auch ein wenig versnobt, wenn's um Remakes von Videospielen geht.
Ich sehe ein, dass gerade das Medium "Spiel" lange Zeit massiven technischen Einschränkungen unterlag, weshalb Remakes durchaus das Potential haben, Klassiker für ein jüngeres Publikum attraktiv zu machen, aber das ändert nichts daran, dass ich mehr als skeptisch an das neue Spiel herangetreten bin und darauf gefasst war, auf ganzer Linie enttäuscht zu werden.

Genau das ist aber nicht passiert. Bloober Team hat den originalen Stoff mit so viel Respekt, Fingerspitzengefühl und Liebe zum Detail umgesetzt, dass es eine wahre Freude ist, mal wieder in die Rolle von James Sunderland zu schlüpfen, um diesen armen Mann erneut auf die Suche nach seiner Frau Mary und in seine ganz private Hölle zu schicken.

Bloober Team hat hier vieles richtig gemacht, was ich in dieser Form niemals erwartet hätte; lasst uns mal einzelne Punkte durchsprechen.

Sounddesign Silent Hill 2 klingt genauso verstörend wie das Originalspiel. Ich muss zugeben, dass ich nicht mal weiß, ob einzelne Tracks abgeändert oder hinzugefügt wurden. Unterm Schnitt ist der Sound aber Akira Yamaoka at his best und hier gibt es nichts hinzuzufügen.

Grafik Viele werfen dem Titel vor, dass er nicht so photorealistisch aussieht, wie er das auf der Playstation 5 könnte, aber genau das betrachte ich als Stärke. Statt einen Look zu wählen, der heute Cutting Edge, aber in 5 Jahren veraltet wäre, entschieden sich die Entwickler zu einem Grafikstil, der auf der einen Seite zwar modern wirkt, auf der anderen Seite aber stark an die Texturen und den allgemeinen Stil des PS2-Originals erinnert. Das verleiht dem Spiel einen sehr künstlerischen, zeitlosen Look, der mir gut gefällt und auch einfach nach Silent Hill statt nach Einheitsbrei aussieht.

Charaktere Alle Charaktermodelle wurden mit neuen Gesichtern, neuen Sprechern und teils mit neuen Dialogen ausgestattet. Das ist der Punkt, an dem ich das meiste Potential zum Scheitern des Remakes befürchtet hatte, da es fast nicht machbar ist, einem Klassiker wie dem Original in Puncto Storytelling gerecht zu werden. Und man mag es kaum glauben, aber Bloober Team hat diesen Part absolut gemeistert. Alle Charaktere (Vielleicht mit Ausnahme von Laura) werden ihrer Vorlage mehr als gerecht, Sie wirken vielleicht sogar noch ne Ecke vielschichtiger und dadurch menschlicher. In diesem Kontext funktioniert die Atmosphäre und auch das Storytelling extrem gut und obwohl ich es kaum glauben konnte, hat das Remake mich hier begeistert.

Gameplay Das Gameplay wurde auf jüngere, moderne Spieler zugeschnitten. Verschwunden ist die alte Panzersteuerung; sie hat dem typischen Gameplay moderner Actionspiele Platz gemacht. Die Kamera ist nun frei drehbar hinter dem Protagonisten plaziert, Waffen werden mit den Schultertasten bedient, etc... man kennt das ja.
Wider Erwarten schafft das Kampfsystem den Spagat, den es anstrebt. Silent Hill 2 spielt sich nicht mehr so klobig wie früher, alles geht sehr flüssig von der Hand und dennoch verkommt das Spiel nicht zu einem Actiontitel. Die Kämpfe sind spürbar fordernder als im Original und der Spieler bekommt durchweg das Feedback, dass James zwar wild draufknüppeln kann, aber trotzdem völlig überfordert ist und nicht so richtig weiß, was er tut.
Der einzige Part, der mich am Kampfsystem geärgert hat, ist, dass der Gegnertypus der "Mannequins" nicht mehr das Radio auslöst und in diesem Kontext am laufenden Band für billige Jumpscares eingesetzt wird. Ich nehme an, dass diese Änderung die Spannung erhöhen sollte, weil man sich nun auch bei stillem Radio nie sicher fühlen kann, aber ich fands gegen Ende nur noch nervig.
Außerdem kommen wir jetzt im Rahmen des Gameplays zu einer der beiden großen Schwächen, weshalb ich nicht finde, dass dieses Remake die ultimative Version von Silent Hill 2 ist.
Durch die frei drehbare Kamera fallen naturgemäß die festen Kamerapersoektiven des Originals weg. Eine der großen Stärken des Originals war aber gerade eben der künstlerische Einsatz der Kameraperspektive. Seinerzeit wurde die Kamera benutzt, um bestimmte Situation unfassbar gruselig zu gestalten oder auch, um bestimmte Räume in Gegenden, die sich grafisch kaum voneinander unterschieden, abzugrenzen. Das fällt nun alles weg, weshalb das Remake schlicht nicht so gruselig ist, wie das Original, weniger unvergessliche Szenen hat und sich oftmals ein wenig desorientierend spielt.
Ich verstehe schon, dass junge Spieler es schlicht gewohnt sind, die Kamera kontrollieren zu können und dass eine feste Kamera vermutlich die Verkaufszahlen gedrückt hätte, dennoch wurde hier auf ein äußerst wirksames Stilmittel verzichtet.

Pacing Und hier kommen wir zum größten Schwachpunkt des Remakes. Man kann ja allgemein den Trend beobachten, dass Videospiele immer teurer und auch immer länger werden. Meist wird die Spieldauer mit irgendwelchen inhaltsleeren Sidequests gestreckt und im Falle des vorliegenden Remakes sieht das nicht viel anders aus. Das originale Silent Hill 2 kann man in knapp 10 Stunden beenden, das Remake dauert gute 25 Stunden. Erreicht wird das durch eine Vergrößerung der einzelnen Areale und eine Erweiterung der "fetchquestartigen" Rätsel. Im ersten Moment fand ich es sogar noch toll, dass nun mehr Gebäude in Silent Hill begehbar waren und wäre das optionaler Extracontent, hätte ich diesen Schritt sogar gefeiert. Allerdings hat sich schnell herausgestellt, dass man diese Bereiche begehen muss, um weiter zu kommen und in manchen Bereichen, die schlicht sehenswert sind, (beispielsweise die Innenstadt am Anfang oder das Hotel am Schluss) macht das auch Spaß, aber gerade in den Bereichen, die sowieso anstrengend zu spielen und grafisch ein Einheitsbrei sind, (beispielsweise so ziemlich jeder Bereich der Otherworld) zieht sich das neue Silent Hill 2 wie Kaugummi.

Insgesamt hat mich das Remake dennoch positiv überrascht und ich finde es absolut spielenswert. Wenn ich aber jemandem, der die Reihe überhaupt nicht kennt, die ultimative Silent Hill 2 Erfahrung ans Herz legen müsste, würde ich ihm zu Silent Hill 2 Enhanced Edition raten.

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